Gastblogpost Rückwärts lernen Jugendcoach Bern

Lernstrategien bei Legasthenie

Weiter gehts mit einem spannenden Gastblogpost, der vor allem – aber nicht nur –  bei Legasthenie super hilft.

Birgit Schmidtgrabmer, die heutige Gastpostbloggerin, stellt sich grad selber kurz vor:
Ich bin Klinische- und Gesundheitspsychologin und arbeite in meiner Praxis in Wien. Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen zwischen 8 und 21 Jahren im Legasthenie- und Dyskalkulietraining. Ausserdem biete ich psychologische Diagnostik für Kinder, Jugendliche und Erwachsene für die Bereiche Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS und Autismus an. Neu ist meine Elterncommunity Mathe-mutig, in der ich Eltern von Kindern mit Dyskalkulie und Rechenschwäche berate und unterstütze, mit ihrem Kind zuhause zu lernen. Außerdem vernetze ich in dieser Community Eltern, deren Kinder Dyskalkulie haben.

Ich blogge zu allen möglichen Themen rund ums Lernen, meine Schwerpunkte sind Dyskalkulie und Legasthenie.

Hier folgen nun Birgits Lieblings-Lernstrategien:

Gastblogpost bei Jugendcoach Bern

Legasthenie ist eine Lese- und Rechtschreibstörung.
Ungefähr 3-10% der Menschen im deutschsprachigen Raum sind davon betroffen. Bei einer Legasthenie fallen das Lesen und das Schreiben schwer. Es gibt auch eine isolierte Lesestörung, wenn nur das Lesen betroffen ist, und eine isolierte Rechtschreibstörung, wenn jemand gut lesen kann, aber Probleme beim Schreiben hat.

Inhalt

Wie zeigt sich eine Legasthenie?

Menschen mit Legasthenie haben Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Da jede Legasthenie anders ausgeprägt ist, hat auch jede betroffene Person andere Herausforderungen. Menschen mit Legasthenie lesen oft recht langsam, sie verstehen nur teilweise, was sie lesen und sie verwechseln beim Lesen öfter Buchstaben. Bei Kindern mit Leseschwierigkeiten fällt auf, dass sie oft nur die ersten Buchstaben lesen und den Rest des Wortes raten. Dadurch ergibt der Text dann keinen Sinn mehr und das Leseverständnis wird noch schwieriger. Auch das Weglassen oder Verschlucken von Endungen ist bei legasthenen Kindern sehr häufig.

Beim Schreiben fällt auf, dass sehr viele verschiedene Fehler gemacht werden. Es sind nicht nur Fehler in ein oder zwei Kategorien (z.B. Dehnung, Gross- und Kleinschreibung, …), sondern alle Bereiche der Rechtschreibung sind betroffen. Es kommt auch vor, dass ein Kind das gleiche Wort in verschiedenen Versionen in einem Text schreibt (z.B. Fahrrad, Farrad, Farad, …) und das nicht bemerkt.

Menschen mit Legasthenie haben manchmal eine schwer lesbare Handschrift, das macht das Korrigieren der eigenen Texte noch schwieriger. Einige Jugendliche entwickeln mit der Zeit auch eine schwer leserliche Schrift, damit diese niemand mehr richtig lesen kann. Sie hoffen dann, dass auch die Lehrkräfte viele Fehler übersehen oder es einfach nicht lesen können. Das ist eine Strategie, aber die hilft den legasthenen Kindern und Jugendlichen nicht wirklich. Sie machen sich selbst das Leben schwer dadurch.

Wie können Legastheniker*innen ihre eigenen Texte korrigieren?

Das Verbessern der eigenen Texte ist bei legasthenen Menschen sehr wichtig, denn dadurch können viele Fehler, die beim Schreiben gemacht wurden, selbst gefunden und ausgebessert werden. Das Korrigieren der eigenen Texte muss geübt werden, denn es ist schwierig und anstrengend und erfordert viel Übung.

Kinder und Jugendliche in der Schule verbessern ihre Texte nicht gerne, weil es ihnen schwerfällt und langweilig ist. Sie sind oft frustriert, wenn sie selbst keine Fehler finden, dann aber am Ende sehr viele Rechtschreibfehler im Text waren. Deshalb brauchen sie am besten von Anfang an Übung im Verbessern der eigenen Sätze und Texte. Wenn Kinder schon in den 1. Klassen lernen, dass sie jeden Satz nach dem Schreiben noch einmal durchlesen sollen, dann gewöhnen sie sich daran und je mehr Übung sie darin haben, desto besser werden sie.

Legasthene Menschen finden nicht alle ihre Rechtschreibfehler, aber wenn sie viel üben, können sie mit der Zeit viele Wörter selbst verbessern. Es ist wirklich Übungssache. Ich freue mich immer, wenn die Jugendlichen bei mir im Legasthenietraining feststellen, dass sie jetzt schon richtig viele Wörter selbst verbessern können und dann am Ende nicht mehr viele Fehler im Text sind. Das sind einige der schönsten Momente in meiner Arbeit. Ich habe dann begeisterte und stolze Jugendliche bei mir in der Praxis. Die Übung und Anstrengung davor haben sich für diese Jugendlichen dann ausgezahlt.

Meine liebste Methode zum Selberkorrigieren ist das rückwärts Korrigieren. Dabei wird ein Text von hinten nach vorne durchgelesen und jedes Wort einzeln betrachtet. Bei dieser Strategie kann jedes einzelne Wort noch einmal angeschaut und analysiert werden. Falsche Wörter können so gefunden und selbst ausgebessert werden. Wörter, bei denen eine Person unsicher ist, kann sie noch einmal im Wörterbuch nachschlagen.

Gastblogpost Rückwärts lernen Jugendcoach Bern

Wie funktioniert das rückwärts Korrigieren?

Beim rückwärts Korrigieren wird ein Text von hinten nach vorne durchgelesen und korrigiert. Du liest zuerst das letzte Wort in deinem Text und schaust genau, ob du es gross oder klein schreibst, ob du alle Buchstaben geschrieben hast oder noch etwas fehlt oder ob dieses Wort eine besondere Schreibung haben sollte. Wenn das letzte Wort richtig geschrieben ist, gehst du zum vorletzten und überprüfst dieses. Danach kommt das Wort davor und so geht es weiter, bis du den ganzen Text noch einmal selbst durchgearbeitet hast. So kannst du dich auf jedes einzelne Wort konzentrieren und dir überlegen, wie du es schreibst.

Wenn du noch nie rückwärts korrigiert hast, beginne zuerst einmal mit einem Satz und gewöhne dich daran, denn am Anfang ist es wirklich gewöhnungsbedürftig, so zu lesen, denn der Text ergibt ja keinen Sinn mehr. Zu Beginn ist das rückwärts Korrigieren auch sehr anstrengend, weil wirklich viel bedacht werden sollte, aber mit der Zeit wirst du dich daran gewöhnen und dann kannst du jeden selbstgeschriebenen Text so verbessern. Wenn du dich eingearbeitet hast und die Methode bei einzelnen Sätzen beherrschst, dann gehe über zu Absätzen. Korrigiere einmal einen Absatz auf diese Art. Erst wenn du es gut kannst, verwende ganze Texte dafür. Wenn du zu schnell zu lange Texte korrigieren willst, ist es anstrengend und es verdirbt dir vielleicht die Lust daran. Das sollte nicht passieren, deshalb beginne mit kleinen Portionen und steigere dich mit der Zeit.

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Warum wird das rückwärts Korrigieren nicht in allen Schulen gelehrt?

Manche Lehrkräfte bringen ihren Schüler*innen bei, wie sie ihre eigenen Texte verbessern und überarbeiten können, aber viele kennen diese Strategie nicht, andere Lehrkräfte trauen es ihren Schüler*innen auch nicht zu, dass sie das durchhalten. Ich fände es sehr wichtig, dass alle Kinder und Jugendlichen rückwärts Korrigieren lernen, denn damit können viele Fehler in selbstgeschriebenen Texten vermieden werden. Menschen ohne Legasthenie können es ebenso lernen, aber die legasthenen Schüler*innen profitieren am meisten davon. Somit lernen alle Kinder die gleiche Methode und können sie auch anwenden, aber wer mehr Fehler in seinem Text hat, der kann damit auch mehr finden.

Gastblogpost Rückwärts lernen Jugendcoach Bern

Hast du noch Fragen zum rückwärts Korrigieren? Hast du es schon einmal ausprobiert? Schreib mir gerne deine Erfahrungen damit.

Hier findest du mehr von Birgit Schmidtgrabmer

Merci liebe Birgit für deinen Beitrag!

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